E-Mobility: Fuhrparkbetreiber auf dem Weg

Karlsruhe/Ettlingen, im Mai 2023. Wer sich derzeit mit der Elektrifizierung seines Fuhrparks auseinandersetzt, der war bei der zweitägigen Fachtagung des Bundesverbandes Betriebliche Mobilität e. V. (BBM) genau richtig. „In Ettlingen kamen Praktiker und Experten für die verschiedensten relevanten Teilbereiche zusammen. Ziel war es herauszuarbeiten, was große und kleine Fuhrparkbetreiber beachten müssen und was man durch Erfahrungen der Kolleginnen und Kollegen voneinander lernen kann“, sagt Axel Schäfer, Geschäftsführer des BBM. So konnten die Teilnehmenden fundierten Rat einholen sowie Werkzeuge und Lösungswege kennenlernen. Die Tagung fand in Zusammenarbeit mit dem Bundesverband emobilität e. V. (BEM), Electrive.net, der NOW GmbH und der Kanzlei Voigt statt.

Ein Umdenken und ein Mobilitätswandel sind notwendig, da ist man sich einig. Und auch, dass die Elektromobilität ein wichtiger Baustein auf diesem Weg ist. „Der Verkehr verursacht rund 20 Prozent der Emissionen und bietet somit einen wichtigen Hebel zum Ziel einer klimaneutralen Gesellschaft“, so Charlotte Ojala von der NOW GmbH. Bis 2030 – so das Sektorenziel Verkehr – soll es 15 Millionen reinbatterieelektrische Pkw auf Deutschlands Straßen geben. „Von heute einer Million Fahrzeuge ist das ein steiles Ziel – aber Deutschland soll zum Leitmarkt für Elektromobilität werden​ und hat das Potenzial dazu“, so Ojala.

Die ausgebuchte Veranstaltung im Barockschloss Ettlingen machte deutlich, dass sich Unternehmen jeder Größenordnung nicht erst seit heute mit dem Thema beschäftigen. Was treibt die Unternehmen an und welche Hürden gibt es, die E-Mobilität einzuführen?

Bremser und Treiber

Im Workshop wurde klar, dass die Firmen auf Nachhaltigkeit und CO2-Senkung setzen, aber natürlich auch die gesetzlichen Vorgaben im Blick haben. Das Verbrenner-Aus vor Augen wäre es fahrlässig, sich nicht mit Alternativen zu beschäftigen. Außerdem ist eine Strategie, die auf Nachhaltigkeit setzt, nicht nur gut für die Umwelt, sondern auch für das Image und die Arbeitgeberattraktivität. Elektromobilität sei aber nicht nur eine Investition in die Zukunft, auch Kostenargumente werden angeführt, denn Unternehmen profitierten durch reduzierte Verbrauchskosten und seit einiger Zeit von den Fördermaßnahmen des Bundes. Und für Mitarbeitende ist ein reduzierter geldwerter Vorteil zu versteuern.

Bedenken erzeugen die noch zu schwach ausgebaute Ladeinfrastruktur, eingeschränkte Reichweiten, lange Lieferzeiten, ein zu geringes Fahrzeugangebot und die Kosten nach dem Stopp der Förderungen für Unternehmen ab September. Auch der administrative Aufwand wird als zu hoch bezeichnet, ganz abgesehen davon, dass es nach wie vor viele Mitarbeitende gibt, die Vorurteile haben oder Elektrofahrzeuge grundsätzlich ablehnen, zum Beispiel weil die Modelle die privaten Anforderungen nicht erfüllen.

Im Praxistalk berichteten Fuhrpark- und Mobilitätsverantwortliche von ihren konkreten Erfahrungen und diskutierten kritische Aspekte der Elektromobilität. Moderator Peter Schwierz, Chefredakteur vom Online-Dienst „electrive.net“, fragte die Diskutanten nach den Pain-Points und Glücksmomenten.

Förderungsverweigerung bremst, aber hält nicht ab

Glücksmomente griff Heinrich Coenen von den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) gerne auf. Er arbeitet bereits seit fast zehn Jahren an der Umsetzung und ist sehr zufrieden, denn er hat eine hohe Elektrifizierungsquote erreicht. Bis 2030 wird sein Unternehmen die gesamte Flotte umgestellt und keine Verbrenner mehr im Portfolio haben, so der Plan. „Wenn es funktioniert und die Ergebnisse alle überzeugen – das macht Spaß“, so Coenen. Faszinierend fanden die Diskutanten, wie viel möglich ist und welche innovativen Wege offenstehen. Beispielsweise werden Konzepte wie "Vehicle-to-Grid" (V2G) und "Vehicle-to-Industry" (V2I), die sich auf die Nutzung von Elektrofahrzeugen als Stromspeicher beziehen, in Unternehmen eingesetzt oder sind geplant.

Schwierigkeiten gibt es derzeit immer wieder mit Zulieferern und der mangelnden Verlässlichkeit von Lieferterminen. Auch Hersteller wie Tesla wurden kritisiert, da der gesamte Kaufprozess auf Privatkunden ausgerichtet ist und auch die Serviceangebote überwiegend nicht zu gewerblichen Fuhrparkkunden passen. Die Kritik beginnt bei Bestellprozessen, geht über Lieferprozesse und die eigentliche Fahrzeugübergabe bis hin zu nicht gelösten Anforderungen der gesetzlichen Unfallverhütungsvorschriften (UVV). Einige BBM-Mitglieder berichteten, dass sie Tesla aus diesen Gründen auslisten oder ausgelistet haben.

Und auch die Entwicklung der Energiekosten ist bei den meisten Unternehmen Thema Nummer Eins mit der Konsequenz, dass bei den Investitionsentscheidungen die Fahrzeuge kleiner und günstiger werden. Ein wirtschaftliches Debakel und Planungsunsicherheit sahen alle durch den Wegfall der Förderungen für Unternehmen ab September gegeben. „Das ist sehr ungünstig für den Prozess, ändert aber nichts an unserer Entscheidung, den Weg konsequent zu gehen“, so Eugenia Becker, Projektleiterin Elektrifizierung bei Schwarz Mobility.

Besonderheiten beachten

Wenn Elektrofahrzeuge im Einsatz sind, gibt es einige Besonderheiten zu beachten. Rechtsanwalt Roman Kasten, Kanzlei Voigt, machte deutlich, dass es auch ein ganzes Bündel an rechtlichen Fragen gibt, die bedacht und teilweise neu in die Prozesse integriert werden müssen. So müssen Fahrzeugüberlassungsverträge, das Vorgehen bei der UVV, Versicherungsthemen und Besonderheiten bei Unfällen im Blick behalten und überarbeitet werden. „Die meisten Gefährdungen bestehen durch eine unzureichende Kenntnis in der Bedienung und im Umgang mit Hochvoltfahrzeugen“, unterstreicht Kasten. Das bestätigte auch Martin Kaus, Fachreferent für UVV und Berufsgenossenschaftliche Fragen des BBM. Einiges sei neu: „Wussten Sie, dass das Ladekabel vor jeder Nutzung auf offensichtliche Schäden geprüft werden und jährlich gemäß DGUV Vorschrift 3 durch eine Elektrofachkraft geprüft werden muss?“ Das war nur ein Aspekt von vielen Vorschriften, die nur bei E-Fahrzeugen vorkommen.

E-Transporter im Fuhrpark sind noch ein weiterer Sonderfall. Das Segment hinkt den positiven Entwicklungen bei E-Pkws deutlich hinterher. „Wir sehen geringe Nutzlast, fehlende Anhängelast, geringe Real-Reichweite, eine nicht ausreichende öffentliche Ladeinfrastruktur und zu lange Ladedauer als Hürden“, sagt Christian Reiter, Fachreferent Nutzfahrzeuge beim BBM. Es wird noch dauern, um praxistauglichere technische Lösungen zu entwickeln und anzubieten.

Der Anfang vom Ende der PlugIn-Hybride in Europa

Ein großes Thema drehte sich um die Fahrzeugangebote und auch um die „Mogelpackung“ PlugIn-Hybride (PHEV), wie der BBM die Fahrzeuge getauft hat. Dass originalverpackte Ladekabel bei der Fahrzeugrückgabe im Kofferraum liegen, berichteten gleich mehrere Fuhrparkverantwortliche. PlugIn-Hybride seien aber dennoch als eine Art Einstiegsdroge für viele Fahrende wichtig und die erste Berührung mit dem elektrischen Fahren gewesen. Unter dem Strich werden die Fahrzeuge aber mehr und mehr wegen hohem Verbrauch und mangelnder Wirtschaftlichkeit ausgelistet. Das liegt auch an der schlechten Quote der Stromnutzung. Dr. Patrick Plötz, Leiter Geschäftsfeld Energiewirtschaft des Fraunhofer Instituts für System- und Innovationsforschung ISI, stellte spannende Forschungsergebnisse einer PHEV-Studie seines Instituts vor, die die Diskrepanz deutlich machte. So lagen die elektrischen Fahranteile bei Dienstwagen gerade mal bei zehn bis 20 Prozent, bei privat genutzten Fahrzeugen bei 40 bis 50 Prozent. Die Folge: Die Kraftstoffverbräuche und -Emissionen liegen bei Dienstwagen sehr hoch: drei- bis fünfmal höher als die WLTP-Typgenehmigung und Herstellerangaben, nur 75 Prozent der Dienstwagen schaffen die dreifachen Verbräuche. Allerdings gebe es Steuerungsmöglichkeiten: beispielsweise eine begrenzte Tankkarte, aber eine unbegrenzte Ladekarte. Doch die meisten Unternehmen lassen die Möglichkeit einen PHEV zu nutzen auslaufen und die Nachfrage nach PHEV lässt bereits nach. Dazu kommt: Ob und wann es welche Anpassung der Dienstwagensteuer geben wird, ist unklar. Laut BBM-Steuerexperten Gerhard Nolle sind Änderungen für 2023/2024 nicht geplant oder in Sicht. Da kann noch was kommen. Und ab 2025 sinkt der Wert von PHEV für die Hersteller in den Flottengrenzwerten. „Wir sehen derzeit den Anfang vom Ende der PlugIn-Hybride in Europa“, so Plötz.

„Wir wissen, dass es zwischen den WLTP-Werten und der Realität eine Diskrepanz gibt“, ergänzt Marc-Oliver Prinzing. Er stellte zudem eine TCO-Betrachtung der Elektromobilität vor. Ein Bärendienst sei der Wegfall der Förderung. „Denn gerade bei kleinen E-Fahrzeugen – die Nachhaltigsten – schlägt das voll durch.“

Modellvielfalt und Leichtfahrzeuge im Fuhrpark

Zufrieden waren die Teilnehmenden mit der Entwicklung der Modellvielfalt bei den batteriebetriebenen Pkw. Es seien zwar immer noch nicht alle notwendigen Fahrzeugmodelle als E-Variante zu haben, die Hersteller seien aber auf einem guten Weg. Offen sind die meisten Teilnehmenden für chinesische Angebote, wenn der Service stimmt und auch auf Fuhrparks ausgerichtet sei und nicht der Tesla-Weg gegangen wird.

Markus Emmert, Vorstand des Bundesverbandes eMobilität BEM, brach eine Lanze für Leichtfahrzeuge. Man müsse raus aus der Pkw-Fixierung. „Unser Mobilitätsverhalten muss sich in eine effiziente, nachhaltige CO2-freie Mobilität wandeln“, so Emmert. Beim notwendigen Transformationsprozess im Verkehrssektor dürfe es nicht nur um die Transformation des Antriebs gehen, sondern muss die Transformation der Mobilität in Gänze betreffen. Die Vorteile der Leichtfahrzeuge lägen auf der Hand: „Sie sind klein im Platzbedarf, benötigen weniger Material in der Herstellung, variieren nach Mobilitätsbedürfnis, entlasten Städte im Bereich der letzten Meile und sind CO2- und geräuschfrei. Auch in Sachen Primärenergieverbrauch bilden sie eine erhebliche Energie- und Umwelt-Entlastung, weshalb Leichtfahrzeuge energetisch den Elektro-Autos sogar eine Nasenlänge voraus sind“, unterstreicht Emmert.

Umsetzungs- und Konzeptionshilfen

Neben den Qualifizierungsangeboten des Mobilitätsverbandes und vielen Online-Tools bietet auch die bundeseigene Tochter NOW GmbH einige Hilfestellungen an. Der Name steht für Nationale Organisation für Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie. „Das Portfolio der NOW hat sich seit ihrer Gründung stark erweitert: wir verfolgen einen technologieoffenen Ansatz. Ziel ist, emissionsfreie Technologien zu fördern, übrigens nicht nur im Bereich der Mobilität“, berichtet Charlotte Ojala, die im Team Elektromobilität das Thema „Schulung und Weiterbildung“ betreut. Mit der Förderrichtlinie Elektromobilität fördert das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) bereits seit 2015 den Hochlauf der Elektromobilität in Deutschland. Neben der zentralen Fördersäule für die Beschaffung von Fahrzeugen und betriebsnotwendiger Ladeinfrastruktur (LIS), werden auch Forschungs- und Entwicklungsvorhaben sowie die Erstellung von Elektromobilitätskonzepten gefördert, um eine strategische Basis für die Flottenumstellung zu ermöglichen.

Umsetzungs- und Konzeptionshilfen der NOW GmbH für Mobilitätsverantwortliche sind dabei unter anderem das „TCO-Factsheet“, welches die Gesamtkosten von BEV den in verschiedenen Fahrzeugsegmenten vergleichbaren Verbrennern gegenübergestellt, die „Gesetzeskarte Elektromobilität“ als übersichtliche Landkarte für gesetzliche Regelungen und der „eFleet Guide“(www.efleetguide.de) mit dem ein digital verfügbarer Maßnahmenkatalog zur Elektrifizierung der Flotte zur Verfügung steht. Um die passenden Handlungsempfehlungen zu erhalten, werden einfach Kenndaten zu Fuhrparkgröße, Fuhrparknutzung, Fahrzeugtyp, Organisationstyp und Ladeort angegeben. Darauf basierend ergibt sich eine downloadfähige Checkliste.

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